Wir sind Versuchskaninchen in einem weltweiten Dopamin-Feldversuch

Seien wir mal ehrlich. Es nützt nichts sich hier zu belügen: Wir sind Teil einer groß angelegten Versuchsreihe die man wissenschaftlich vielleicht so formulieren kann: „Auswirkungen chronischer Dopaminausschüttungen durch externe Stimuli auf Homines Sapientes“ oder auf gut deutsch: Was passiert mit dem Menschen wenn er ständig Dopamin durch externe Quellen ausschüttet?

Dieses Gebiet ist extrem breit und betrifft jeden einzelnen von uns. Den einen mehr, den anderen weniger. Der eine stellt sich als beispielhaftes Versuchskaninchen zur Verfügung indem er sich einer extremen und chronischen Dopaminausschüttung aussetzt und andere stellen sich ein bisschen quer und machen nicht alles mit.

Natürlich gibt es keinen Versuchsleiter. Niemand hat sich dieses Experiment ausgedacht. Es läuft von ganz alleine, gesteuert durch Eigeninteressen der Wirtschaft. Und einzelne Teilnehmer wissen sehr genau was sie machen und worauf ihr Profit eigentlich aufbaut. Jüngstes Beispiel: Facebook. Nachdem eine Studie offen gelegt hat, dass Facebook eigentlich unglücklich macht haben sich viele Ex-Mitarbeiter dazu bekannt das Verhalten der Menschen auszunutzen. Und zwar indem sie bewusst auf das Hormon Dopamin anspielen das im menschlichen Gehirn relativ einfach ausgeschüttet werden kann und uns zunächst einmal Vergnügen bereitet. Das ist das was du fühlst wenn jemand deinen Kommentar mit gefällt mir markiert, ein Fremder dich „anstubst“ oder jemand auf deine Nachricht antwortet. Kurz gesagt: alles was in diesen sozialen Netzwerken passiert schüttet in uns Dopamin aus. Facebook und alle anderen wissen das sehr genau. Sie wissen auch dass das Gehirn immer mehr davon braucht. Genauso wie ein Kaffeetrinker der nun 5 statt einer Tasse trinkt. Genauso funktionieren auch soziale Netzwerke. Als gemeiner Nutzer hat man davon keine Ahnung – aber so soll eine gute Versuchsreihe auch sein. Das Versuchskaninchen soll schließlich nicht wissen was an ihm getestet wird und was von ihm zu erwarten ist.

Andere Beispiele sind:

Die Tabakindustrie, die lange Zeit Studien vorenthalten, manipuliert und Politiker geschmiert hat um die Wahrheit möglichst zu verheimlichen. Es war früh klar wie süchtig Nikotin macht und welche gesundheitlichen Schäden es (abgesehen vom Suchtverhalten selbst) anrichtet. Auch Nikotin schüttet Dopamin aus und war eines der ersten Quellen dafür die in die Versuchsreihe eingeführt wurden.

Die Lebensmittelindustrie befindet sich in einem ähnlichen Stadium wie die Tabakkonzerne vor etwa vier Jahrzehnten. Es gibt genügend Studien die beweisen wie schädlich die Nahrung ist die uns größtenteils angeboten wird, dennoch wird sie in Massen und in der ganzen Welt verteilt. Beste Beispiele sind Fertigprodukte, Süßigkeiten und vor allem Getränke die im Endeffekt nichts anderes sind als Zuckerwasser mit verschiedenen Geschmäckern. Das Rezept der Lebensmittelbranche ist einfach: Einen optimalen Punkt zu finden um den Geschmack zu optimieren so dass wir zu viel und zu oft davon essen. Dieser Punkt setzt sich meist aus einer Kombination von Zucker, Salz und Fett zusammen und bewirkt eine hohe Ausschüttung an Dopamin. Ebenfalls ein gutes Beispiel ist Starbucks oder Cola wo es gleich zwei Dopaminlieferanten in einem gibt: Koffein und Zucker. Dass der Erfinder von Coca Cola eigentlich drogensüchtig war und nach etwas forschte um dieser Sucht nachzukommen wird dabei gerne verschwiegen. Aber immerhin ist nur noch Koffein und kein Kokain mehr in Cola. Die Wirkungsweise ist jedoch die gleiche.

Die Gaming-Industrie ist noch vergleichsweise jung, hat aber ebenfalls schon starken Einfluss auf die Gesellschaft. Computerspiele sind so ausgelegt dass sie ein regelrechtes Dopaminfeuerwerk entfachen und danach süchtig machen. Auch diese Spiele gibt es schon in Kombination mit anderen „Dopaminquellen“ wie social networks. Beim social Gaming verschmelzen Computerspiele mit sozialen Faktoren. Freunde helfen dir dabei deine Burg zu verteidigen, du bekommst Items als Gegenleistung, usw. Etwas älter ist die Glücksspielindustrie. Auch sie arbeitet nach dem gleichen Muster. Nämlich Dopaminausschüttungen zu maximieren damit der Spieler nicht nur das maximale Spielvergnügen hat sondern auch immer wieder kommt.

Die Pornoindustrie gibt es zwar auch schon länger, aber noch nie war die Verfügbarkeit und vor allem Vielfalt so gut wie heute. Jeder mit Internet kann innerhalb von Sekunden darauf zugreifen und hat dabei eine Auswahl zwischen den exotischsten Themen und verschiedensten Darstellern. Hier tun sich wirklich Abgründe auf die nur dadurch entstehen weil es genügend Leute gibt, die immer mehr brauchen und immer nach etwas Neuem suchen das sie noch anturnt. Für die meisten ist das einfach pervers, für andere notwendig um das Verlangen nach Dopamin zu befriedigen.

Soziale Netzwerke sind wohl das jüngste Phänomen. Erst gegen 2006 haben sie auch in Deutschland Einzug erhalten. Bei manchen Netzwerken waren die Absichten sicherlich gut: man kann sich mit Freunden auch online vernetzen und austauschen und mit alten Bekannten in Verbindung bleiben. Diese Vernetzung hat sicherlich auch etwas Positives, alleine schon dass man Informationen austauschen kann an die man anderweitig womöglich gar nicht kommen würde. Aber wie man so schön sagt: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“ und heute ist auch bekannt dass Facebook und Co. das menschliche Gehirn gnadenlos austricksen. Sie wissen genau was süchtig macht und wie man darin „gefangen“ wird.

Smart-Gadgets sind noch wesentlich jünger und dienen als Werkzeug für die oben genannten Industrien. Gerade Smartphones sind hier entscheidend und liefern praktisch rund um die Uhr und überall Dopamin. Früher gab es noch Orte an denen man machtlos war Dopamin auszuschütten: In der Bahn, im Wartezimmer, in der Schulpause, usw. Heute reicht ein Griff in die Hosentasche und es geht los. Ein neuer Trend sind Smart-Watches die diesen Griff sogar überflüssig machen. Selbst Fitnessuhren sind hier zu nennen. Auch ihre Vorsätze waren eigentlich gut und sollten jeden dazu motivieren sich ausreichend zu bewegen. Aber wenn man natürlich jede WhatsApp Nachricht, Email und sonstige Neuigkeiten direkt ans Handgelenk bekommt muss man natürlich eines feststellen: Es ist eine Dopaminquelle die man ständig an der Hand hat und nicht loswird.

Wir können es auch kurz machen: Jemand, der versteht wie das menschliche Gehirn funktioniert und einen Weg findet für eine effiziente Dopamin-Ausschüttung zu sorgen, hat den „heiligen Gral“ gefunden und wird eine Menge Profit machen können. Dopamin hat den Weg für alle diese Industrien bereitet – sie würden ohne gar nicht existieren. Dopamin sorgt dafür, dass wir immer mehr davon wollen und das möglichst oft. Dopamin ist als Belohnungshormon entwickelt worden und die Evolution hat sich dabei schon etwas gedacht: Es soll nur ausgeschüttet werden wenn der Mensch etwas gemacht hat das in seinem Sinne belohnenswert ist. Also so etwas wie Essen. Er hat sich damit genährt und gestärkt. Sex. Er hat sich damit (womöglich) fortgepflanzt und den Erhalt seiner Art gesichert. Das sind unsere eigentlichen „Urinstinkte“ wofür wir uns vom Gehirn belohnen lassen. Es soll sich gut anfühlen und wenn wir ehrlich sind tut es das auch. Ein ordentliches Steak und danach guter Sex – was will man mehr?

So wäre das auch alles in Ordnung, aber was ist wenn wir innerhalb weniger Minuten und praktisch auf Knopfdruck die gleiche hormonelle Ausschüttung bewirken? Wie kann es sein, dass das nicht ohne Konsequenzen bleibt? Und das ist was dieser Feldversuch zeigen soll. In einigen Jahrzehnten sind wir schlauer und man wird sagen können was auf lange Sicht passiert. Was passiert mit einer Generation die mit 2 anfängt Zucker zu essen, mit 11 schon in sozialen Netzwerken aktiv ist, mit 14 anfängt Pornos zu schauen, mit 16 täglich zweimal zu Starbucks geht und mit 18 anfängt in online Casinos zu spielen? Wie gesund wird so eine Generation mit 20, 30, 40, 70 sein? Wir werden noch lange auf das Ergebnis des Feldversuches warten müssen.

Die Frage ist: warum warten? Wir wissen eigentlich längst um die Konsequenzen. Wir wissen was diese Dinge mit unserem Gehirn anstellen und die gesundheitlichen Folgen sind offensichtlich. Wenn du das nicht glaubst nimm einem durchschnittlichen 16 Jährigen mal einen Tag sein Smartphone weg und schau was passiert.

Fakt ist: unser Gehirn wird von immer mehr Industrien benutzt. Sie wissen um Dopamin und dass der Mensch natürlicherweise danach strebt es auszuschütten. Um aber heute den gleichen Effekt zu erreichen als gestern brauchen wir mehr davon. Diese Industrien liefern genau das.