Dopaminausschüttung durch Ungewissheit

Dopamin kann auf verschiedenen Wegen ausgeschüttet werden. Einer davon ist Ungewissheit im Sinne von „ich weiß nicht was passieren wird aber ich will es herausfinden“. Hört sich eigentlich erstmal nicht negativ an und das ist es auch nicht zwangsläufig. Dopamin soll uns im Grunde ja nur motivieren etwas zu tun. Wenn es also sinnvoll erscheint etwas herauszufinden worüber man aktuell noch nichts weiß, dann gibt uns Dopamin den Anstoß den wir dazu brauchen. Es soll uns damit aus der Komfortzone bewegen in der wir verweilen wenn wir nichts unternehmen würden. Ohne jetzt aber allzu lange auf die Theorie dahinter einzugehen einige Beispiele für diese Ungewissheit:

  • Kommt Rot oder Schwarz?
  • Sagt sie/er ja oder nein?
  • Dreht Schalke noch das Spiel?
  • Es hat gepiept, wer hat mir gerade geschrieben?
  • Will er/sie mehr oder nicht?
  • Was wohl in der Kiste ist?

Mit dieser Ungewissheit deckt man bestimmte Abhängigkeiten sehr gut ab und die meisten davon lassen sich darauf reduzieren. Die einen mehr (wie Glücksspiel) die anderen weniger (wie Sex/Pornosucht). Soll heißen, dass bei diesen Abhängigkeiten die Ungewissheit und die damit verbundene Dopaminausschüttung eine große Rolle spielt. Schauen wir uns die verschiedenen Abhängigkeiten der Reihe nach im Detail an:

Dating/Affären

Du kennst sicherlich das Gefühl wenn du jemanden kennen lernst und ihr einander näher kommt. Bis zu dem Zeitpunkt wo du nicht weißt ob du weitermachen sollst oder nicht. Du fragst dich ob du dieses oder jenes schon machen darfst oder es noch zu früh ist und wie er/sie wohl darauf reagieren wird. Du wirst es nicht herausfinden bis du es versuchst. Mehr Spannung geht kaum weil es keine Garantien gibt. Gäbe es sie dann wäre es langweilig. Stell dir vor jemand schreibt dir vor dem dritten Date dass ihr heute Abend auf alle Fälle Sex haben werdet und du tun und lassen kannst was du willst. Langweilig, oder? Damit wird die Spannung komplett rausgenommen die du ansonsten praktisch an jeder „Schwelle“ verspürst. Das ist Dopamin ohne Ende. Es will uns ermutigen weiter zu machen und „es herausfinden“. Dopamin wird gerade auch beim Vorspiel ausgeschüttet und während des Orgasmus‘.

Das wäre jetzt eine vergleichsweise harmlose Sucht da es dir kaum möglich ist eine Dosis zu bekommen die gefährlich wird. Du kannst nicht mehrmals täglich jemand Neues kennen lernen und dieses Prozedere durchspielen. Natürlich kannst du dafür bezahlen aber dann nimmst du eben auch die Spannung raus. Das ist also eine Ausschüttung die jeder nur alle paar Wochen, Monate, Jahre erfährt. Manche gar nicht mehr wenn sie in langjährigen Beziehungen leben weswegen auch Affären nicht allzu selten vorkommen (bzw. immer häufiger heutzutage in unserer Dopamin gesteuerten Welt). Nur in einer Affäre bekommst du diesen Dopamin-Kick den du einst bei deinem jetzigen Partner hattest.

Pornos als abgespeckte Alternative

Wer single ist und zurzeit kein solches Date hat oder wer in einer Beziehung ist und treu bleibt sucht meist Alternativen. Und da gibt es keine einfachere als Internetpornos. Sie liefern praktisch Dopamin auf Abruf und auch hier spielt Ungewissheit eine gewisse Rolle, je nachdem auf welches „Genre“ man sich dabei einlässt. Gute Beispiele sind Castings, Massagen, Voyeur-Themen, usw. Also wo der oben beschriebene Prozess im Schnelldurchlauf durchgespielt wird. Macht sie/er das mit oder nicht? Sagt sie/er ja oder nein? Lässt sie/er sich dort anfassen oder nicht?

Natürlich funktioniert Pornographie auch gänzlich ohne Unsicherheit. Dann ist es reines Dopamin durch den Orgasmus an sich. Also die typischen Fälle die innerhalb von durchschnittlich 5 Minuten erledigt sind. Da kann man nicht gerade von einem „virtuellen Vorspiel“ sprechen sondern kommt gleich zur Sache.

Glücksspiel und Gaming

Glücksspiele sind so konstruiert, dass es für den Teilnehmer schwer ist aufzuhören. Bei klassischen Spielen wie Roulette oder Blackjack sind die Spielemacher dort etwas eingeschränkt. Sie können das Rad kaum neu erfinden. Besser gelingt das mit Spielautomaten bei denen der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Was diese Form und auch andere Glücksspiele so interessant macht ist nicht das Gewinnen, sondern „nah dran zu sein“. Wenn du an einem Automaten schon 4 von einer Sorte hast und nur noch eines brauchst um den Jackpot zu knacken aber leider verfehlst motiviert das nur noch mehr -> Dopamin eben. An so einem Automaten drehst du alle paar Sekunden erneut. Es ist sozusagen Dopamin in Dauerausschüttung. Ein schlecht konstruierter Spielautomat lässt dich so selten gewinnen oder nah dran sein dass zu wenig Dopamin ausgeschüttet wird. Dir wird langweilig und entweder hörst du auf oder suchst einen neuen Automaten. Ein gut konstruierter gibt dir alle paar Spins frisches Dopamin. Das gelingt den Herstellern auch dadurch dass sie Gewinne ausschütten, die eigentlich gar keine sind. Angenommen du setzt 1€ pro Dreh und hast eine bestimmte Kombination die dir aber nur 0,5€ auszahlt. Dann wird das als Gewinn zelebriert obwohl du unterm Strich verloren hast. Aber egal, du hast zumindest das Gefühl zu gewinnen und machst weiter. Das Dopamin verlangt es.

Aber nicht nur im Casino leisten die Entwickler beste Arbeit. Die ganze Gaming Industrie baut darauf auf und das fängt mit simplen Spielen wie Candy Crush oder Farmville an und hört mit sehr komplexen Spielen auf. Hier wird alles versucht um das Dopamin am Laufen zu halten und wenn man das auch noch mit einer sozialen Komponente kombiniert hat man den ultimativen Dopamin-Rush. Also dass du mit deinen Freunden spielst, ihr euch gegenseitig belohnen und helfen könnt, usw. Besser geht es kaum und das erklärt auch den unfassbaren Anstieg im social Gaming Bereich.

Social Media und normale Media

Das führt uns zu unserem letzten Bereich, dem social Media bzw. Medien die nicht unbedingt sozial sein müssen wie geschäftliche Emails oder Chats. Die Ungewissheit lauert praktisch überall: Was wird es neues geben wenn ich mich bei Facebook/Twitter/Snapchat/whatever einlogge? Wer wird mir geschrieben haben? Habe ich neue Freunde/Follower? Hat xy auf meine Nachricht geantwortet? Mehr Dopamin geht kaum und wenn man social Media so benutzt wie der Großteil der Menschen heutzutage dann handelt es sich um eine fast dauerhafte Dopaminausschüttung. Denn wann sind wir schon tatsächlich offline? Wir haben unsere social Media Apps auch auf dem Smartphone oder sogar auf der Smartwatch und werden so ständig „geupdated“. Selbst wenn du dein Smartphone lautlos und umgedreht auf dem Tisch liegen hast fragst du dich zumindest unterbewusst ob es Neuigkeiten gibt, wer dir geschrieben haben mag, usw. Diese Ungewissheit lässt wieder Dopamin ausschütten obwohl du eigentlich gar nichts machst.

Genauso ist es wenn du nur eine Benachrichtigung wie Vibration oder einen Ton eingestellt hast. Egal ob am Smartphone oder am PC. Es reicht das kleine Aufblinken oder Ertönen eines Signals damit du Dopamin ausschüttest und es dich dazu auffordert herauszufinden was los ist.

Du kennst sicherlich die Härtefälle die sogar während des Autofahrens unbedingt auf ihr Handy schauen müssen nur weil es vibriert hat. Wenn du dann fragst warum sie das machen sagen sie nur „ich muss wissen wer mir geschrieben hat“ – auch wenn sie im Urlaub sind oder es nichts Wichtiges geben kann. Erkennst du dich selbst darin wieder? Dann ist es höchste Zeit sich darum zu kümmern, denn das ist definitiv schon eine Abhängigkeit die gefährlich werden kann.